Abschreibungen machen Vorteilsnahmen rückgängig?

Kauft sich eine Geschäftsbank eine Sachanlage, dann kann sie diese Sachanlage mit einem geldschöpfenden Schreibvorgang aus ihrer Sicht wie aus dem "Nichts" bezahlen. Der Betriebswirt: "Sie muss dann aber diese Sachanlage in ihren Büchern in den Folgejahren abschreiben. Diese Abschreibungen verringern in der Bilanz der Bank das Eigenkapital, sodass sie die Sachanlage dann doch in den Folgejahren erwirtschaften muss".

Antwort
Diesem Trugschluss, dass die Bank den vollen Kaufpreis der Sachanlage erwirtschaften muss, kann man leicht unterliegen, wenn man mit der Buchführung im Allgemeinen sehr gut vertaut ist. Bei Menschen mit ausgeprägtem Buchführungsverständnis schwingt sozusagen die Bilanz im Hinterkopf immer mit. Sie sind der Meinung, dass Banken aus der Giralgeldschöpfung keinen oder nur einen geringen Vorteil ziehen können, weil sie eine Bilanz legen müssen. Anhand eines Beispiels sollen hier die Gedanken der Buchführungsexperten nachvollzogen werden. Wie wird ein von der Bank gekauftes Bürogebäude in der Buchführung der Bank dokumentiert? Das neu erworbene Bürogebäude wird nach dem Vorbild der Realwirtschaft in die betriebswirtschaftliche Erfolgsrechnung der Bank eingetragen. Hier die vereinfachte Beispielrechnung eines Gebäudes, welches die Bank vermietet:
  • Ankauf des Gebäudes:  Per f. Geschäftsbauten an Girokonto 1.000.000 Euro.
  • Abschreibung:  Per Eigenkapital an f. Geschäftsbauten 20.000 Euro.
  • Nicht in den Nebenkosten enthaltener Aufwand:  Per Eigenkapital an Girokonto 5.000 Euro.
  • Mietertrag ohne Nebenkosten:  Per Girokonto an Eigenkapital 50.000 Euro.

Aus dieser Aufstellung ergibt sich ein Gewinn für die betrachtete Periode von 25.000 Euro. Der Buchführungsexperte kann folgendes Fazit ziehen:

  • Wenn die Abschreibungen genauso groß wie die Nettoerlöse aus der Nutzung der Sachanlagen sind, dann ist für die Bank dieses Geschäft gewinnneutral.
  • Wenn die Abschreibungen kleiner als die Nettoerlöse aus der Nutzung der Sachanlage sind. Dann fällt ein zusätzlicher Gewinn bei der Bank an. (Das ist der Normalfall und in unserem Beispiel 25.000 Euro).
  • Wenn die Abschreibungen größer als die Nettoerlöse aus der Nutzung der Sachanlagen sind, dann fällt ein Verlust in Höhe der Differenz (Nettoerlöse – Abschreibung) bei der Bank an. (Dieser Fall kommt nur selten vor, weil in diesem Fall die Bank ein Gebäude, bei dem der Erlös nicht einmal die Abschreibungen deckt, wieder verkaufen würde).

Welche Erkenntnis liefert die Beispielrechnung, wenn man das Prinzip der kooperativen Geldschöpfung berücksichtigt? Die Banken erhalten die Sachanlagen annähernd kostenlos. Auch die nachfolgenden Abschreibungen schmälern ihre Vorteilsnahme nicht, da sie auch im Nachhinein nicht darauf angewiesen sind, die vollständigen Anschaffungskosten für die Sachanlagen am Markt zu verdienen. Die zeitliche Wertminderung ihrer Sachanlagen können sie nach Bedarf durch den Kauf neuer Sachanlagen kompensieren, ohne das Geld dafür erwirtschaften zu müssen.

Diese Aussagen lösen befremden bei den Buchführungsexperten aus. Sie erkennen zwar an, dass die Banken eine komfortable Situation haben, in dem sie durch einen Schreibvorgang das Geld für die Sachanlagen dem Verkäufer zur Verfügung stellen können, verwehren sich aber dagegen, dass dieser Vorgang gleichzusetzen wäre mit einem Kauf ohne Mittelerwirtschaftung. Sie verweisen darauf, dass bei der Aktivierung der Sachanlage in der Bilanz auf der Passiva-Seite Verbindlichkeiten geg. Kunden gegenüberstehen. Sie bezeichnen es als bargeldlose Finanzierung der Sachanlage. In ihrer Vorstellung gibt sich die Bank selbst einen Kredit, um die Sachanlage zu kaufen. Sie übersehen dabei aber, dass diese Verbindlichkeiten geg. Kunden von den Banken nie eingelöst werden müssen, es sei denn, es gäbe einen Bankenrun auf das Bargeld.1  Also, nur bei einem Komplettzusammenbruch des Geldsystems wären die Verbindlichkeiten fällig und dann doch nicht einlösbar. Das haben sich die Banken fein ausgedacht. Der Systemzusammenbruch muss im Interesse aller unter allen Umständen verhindert werden, sodass sie ihre Schulden nie begleichen müssen. Schulden, die nie beglichen werden müssen, sind keine Schulden. Sie werden aber in den Bilanzen der Banken laut Buchführungsregeln als Schulden aufgeführt und somit der Geschäftserfolg der Banken falsch dargestellt. Es ist deshalb notwendig, die gesamte Erfolgsrechnung für Banken auf den Prüfstand zu stellen.

 

1 Horst Seiffert: Geldschöpfung – Die verborgene Macht der Banken, 2014, Kap. 3.3.1, 3.3.2 u. Anhang A1.4